Bereits als kleines Kind durfte ich mit meinen Eltern die einzigartige Segler-Luft schnuppern. Das Wasser wurde früh zu meinem Element und das Gefühl von Freiheit, Natur und purer Lebensfreude – ob auf dem Bodensee oder auf den Weltmeeren – hat mich absolut in seinen Bann gezogen.
 
 
 
 
 
 
 
 
Der frühe Tod meines Vaters hat vieles verändert. Eine starke Persönlichkeit, die seine Familie, das Leben, die Abenteuer, das Reisen, das Segeln, die Natur und die Herausforderungen liebte – ein Mensch, der unser Familienleben geprägt, mitgestaltet und geformt hatte, war nicht mehr da.
Nebst den vielen Erinnerungen, Dingen und Lücken, die eine solch wichtige Bezugsperson hinterlässt – hinterliess mein Daddy einen grossen Herzensgegenstand – La Lupa. Unsere CB 37 Segelyacht, welche ursprünglich aus Schweden stammt und seit 1994 am schönen Bodensee beheimatet ist.
Meine Mama, meine beste und bis heute wichtigste Freundin und Begleiterin und selbst ambitionierte und weitgereiste Seglerin, stellte mich – damals 11 Jahre alt und neben meinen beiden Geschwistern die einzige Segelinteressierte – vor die Wahl bzw. ermöglichte mir folgende Chance:
Wir würden La Lupa behalten, sofern ich mit 14 Jahren (Mindestalter für Segel-Prüfungszulassung) den Segelschein machen und mich mit um La Lupa kümmern würde.

 
 
 
 
 
 
 
Eine intensive Zeit der Verarbeitung, Auseinandersetzung und auch vieler schöner Momente hatte seinen Anfang gefunden. Damals ahnte niemand, was diese Entscheidung für weitreichende Konsequenzen mit sich bringen würde.
Sommer für Sommer verbrachten wir viel (und doch zu wenig) Zeit auf und mit unserer La Lupa. Mit 18 Jahren kam die Motorbootprüfung dazu, Jugendtörns auf dem Mittelmeer für mich und herausfordernde Spezialtörns (unter anderem Spitzbergen) für meine Mama gestalteten unsere Urlaube. Arbeiten und Reparaturen am Boot schulten unseren Umgang mit kleineren und grösseren handwerklichen Herausforderungen. Die Verbindung zu meinem Vater und zum geliebten Partner meiner Mama schien über seinen Tod hinaus zu gehen und uns als Familie zu stärken bzw. unsere gemeinsame Leidenschaft (er)leben zu lassen.
Längst wurde der Bodensee zu unserem zweiten Zuhause und allmählich auch zu klein für unsere Bedürfnisse. Und wie das so ist, ein älter werdendes Boot braucht Zeit, Pflege und auch finanzielle Mittel, die Leidenschaft und Geduld, sich mit Reparaturen und den Werften auseinander zu setzen.
Mit der Realität kam der Loslösungsprozess. Schleichend aber irgendwie kam er.

 
 
 
 
 
 
 
Dazu kamen meine Törns mit Join the Crew (JTC). Ich hatte eine gute Gelegenheit gefunden, weltweit bezahlbare Törns mit Leuten meines Alters zu verbringen. Reisen in andere Länder, verbunden mit fremden Sprachen und neuen Kulturen – eine wunderbare Art der Horizonterweiterung.
Bobby Schenk, Wilfried Erdmann und co. wurden zu meinen Begleitern und ein neuer Gedanke, unsere La Lupa auf die für sie gedachten Gewässer zu bringen und mit ihr das Abenteuer meines Lebens erleben und damit auch dem Wunsch meines Vaters nachkommen zu können, liess mich nicht mehr los. Meine Hochseescheine habe ich im Eigenstudium und mit gefühlt nichtexistierenden Hirnteilen für Mathematik und Physik erarbeitet und bestanden.
Anfang Zwanzig, die Matura, ein halbes Jahr Australien und das Studium zur Primarlehrerin abgeschlossen, lernte ich auf einem JTC-Karibiktörn über Weihnachten/ Silvester 2013/2014 Martin kennen.
Ein halbes Jahr später – man sieht sich bekanntlich immer zweimal im Leben – hatten wir im Sommer 2014 unseren ersten gemeinsamen Skippereinsatz für JTC auf Mallorca.

 
 
 
 
 
 
 
 
Martin und ich verbrachten viel Zeit auf La Lupa. Eine spannende und intensive Kennenlernphase – eine Zeit der Neuorientierung und des Perspektivenwechsels ging für mich los. Wunderbare Gefühle, wie Liebe, Geborgenheit und absolutes Vertrauen entwickelten sich. Der Wunsch meiner grossen Reise wurde immer mehr zum Thema. La Lupa bekäme eine neue Aufgabe und Martin wäre der perfekte Partner an meiner Seite.
Mein Traum sollte unser Traum sein. Meine Reise sollte zu unserer Reise werden. Mein Märchen würde unser Märchen sein.
So wunderschön diese Entscheidung zum gemeinsamen Projekt sein mochte, sie brachte auch einen klaren Wehrmutstropfen mit sich. Die Reise sollte und konnte definitiv nicht auf und mit La Lupa stattfinden. Auch wenn sie für das Meer bzw. Schweden (Ostsee) konzipiert wurde, bringt sie zu wenig Blauwassereigenschaften (Bau, Grösse, Rigg) mit. Der Platz ist beschränkt und lässt fast keinen Besuch zu. Ausserdem sollte für Martin (1.98m) wenigstens im Salon ein aufrechtes Stehen möglich sein.
Die Suche nach unserem neuen und schwimmenden Zuhause hatte seinen Anfang gefunden.
Heute schmunzle ich über diesen Prozess und über unsere anfänglichen, fast naiven Versuche, das passende Boot zu finden. Diskussionen mit erfahrenen Segelfreunden und Bootsbauern, viel Literatur und Recherche halfen uns dabei, unsere Wünsche und Vorstellungen zu entwickeln, Prioritäten zu setzen, Entscheidungen zu treffen und Budgetvorstellungen zu konkretisieren.
Es ist faszinierend, wie viele wunderbare Schiffe eine Geschichte ihrer Reise – ihr Blauwassermärchen schreiben möchten und zum Verkauf stehen. Und doch war für uns lange Zeit nicht die passende Begleiterin dabei.
Parallelleben nannte ich diese Phase. Einerseits war ich nach wie vor fest verankert.
Mein Alltag als Primarlehrerin, meine Ausritte mit meinem treuen Vierbeiner, Rico. Treffen mit Freunden und Familie, Urlaube und Skippereinsätze auf dem Meer. Sommertage auf La Lupa.
Andererseits die intensive Recherche nach Booten, lange Telefonate mit Martin, viele Mails und Kontaktaufnahmen mit Bootseigentümern und Fachleuten.
Aufrüstung einer Mannschaft und einer Segelyacht, die so noch gar nicht wirklich existierten.
Und auf einmal waren wir mittendrin. Mittendrin im Planungsprozess, im Gefühlschaos. Dieses Gefühl ist beängstigend und erfüllend zugleich. Mark Twain bringt es für uns immer wieder auf den Punkt.

Wie das so ist, spielt das Leben so, wie es will. Und das ist auch gut so!
Schlaflose Nächte, Enttäuschungen, Boote, die uns vor der Nase weggekauft wurden, Verhandlungen und Konflikte sollten nicht ausbleiben. Die Entscheidung, im Winter 16/17 meine Kündigung einzureichen um den mittlerweile fest gesetzten Startpunkt 2018 einhalten zu können, machte das Ganze nicht leichter. Ein Schritt ins Ungewisse. Mit der intensiven Suche, den gewonnenen Erkenntnissen und dem neu erlangten Wissen zeichnete sich eine klare Vorstellung ab. Wir wollten eine Moody 44 cc (cc = Center Cockpit).
Im Januar 2017 sollte diese Suche in Holland ihr Ende finden. Für Martin die 3., für mich die erste Besichtigung.
Wir trafen auf ein freundliches Ehepaar mit zwei kleinen Hunden. Auf ein kaltes und regnerisches Holland. Auf eine vom Winter und den Jahren gezeichnete Moody 44 cc.
Meine Gefühle fuhren Achterbahn. Waren es die vermoosten Leinen, die mich störten? Die ganze Arbeit, die auf uns warten würde? Oder die Tatsache, dass aus dem Traum Realität zu werden drohte?!
War es die riesige Eignerkabine über die ich mich freute? Die solide und vertrauenswürdige Bauweise der Moody? Die Vorstellung vorne auf dem Deck sitzend in den Sonnenaufgang zu segeln? Oder die Tatsache, dass aus dem Traum endlich Realität werden könnte?
Das Schicksal entschied sich für die Option: Liebe auf den zweiten Blick – Nach erfolgreichem Gutachten, Abwägen von Pro und Kontra, Gesprächen mit Familie und Freunden wurde diese Moody an Martins Geburtstag, dem 1. Mai 2017 unsere Fairytale! Unser Märchen hatte seinen Anfang gefunden…

Es war einmal…

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